Schmerz zu empfinden ist kein Vorrecht des Menschen! Wir wissen heute, dass unsere Vierbeiner ein ganz ähnliches Schmerzempfinden haben wie wir. Doch sind Tiere weitaus leidensfähiger, sie leiden oft stumm, können ihren Schmerz nicht in Worte fassen und zeigen oft nur durch Verhaltensänderungen (zieht sich zurück, will nicht spielen, beißt plötzlich, frisst schlecht, will nicht gestreichelt werden, verträgt sich nicht mehr mit seinen Gefährten und vieles andere mehr), dass es ihnen nicht gut geht und sie Schmerzen haben. Dies führt leider dazu, dass wir Schmerzen bei unseren Haustieren oft viel zu spät realisieren oder ihr Schmerzverhalten falsch interpretieren. Umso wichtiger ist es, sein Tier zu kennen, es regelmäßig zu beobachten und aus Verhaltensänderungen die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Was sind Schmerzen?
Vereinfacht ausgedrückt ist der Schmerz ein „unangenehmes Gefühl“. Wissenschaftlich versteht man darunter eine komplexe Sinnesempfindung: eine Erregung wird von Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) über spezielle Nervenbahnen und den Thalamus an das Zentralnervensystem (ZNS) weitergeleitet und führt zur Schmerzwahrnehmung (Nozizeption).
Wie entstehen Schmerzen?
Schmerzen sind eine lebenswichtige Sinneswahrnehmung. Sie treten immer dann auf, wenn mechanische, thermische (Hitze, Kälte), chemische oder elektrische Reize einen Schwellenwert überschreiten, es kommt zu einer Gewebeschädigung mit Freisetzung sogenannter Schmerzmediatoren und damit zur Auslösung von Schmerzimpulsen. Schmerzen entstehen also dann, wenn dem Organismus ein Schaden zugefügt wird, und sie stellen somit eine biologische Warnfunktion des Körpers dar – sie haben Schutzfunktion.
Schmerzarten
„Den Schmerz“ als solches gibt es nicht, denn Schmerzen werden immer subjektiv empfunden und sind auch abhängig von der persönlichen Schmerzempfindung. Anhand verschiedener Kriterien wie Ursache und Störung, aber auch Entstehungsort und Dauer kann eine Schmerzeinteilung vorgenommen werden.
Akuter und chronischer Schmerz
Diese Unterteilung orientiert sich hauptsächlich an der Dauer der Schmerzen.
Der akute Schmerz ist meist die Folge einer akuten Erkrankung oder Verletzung (z. B. Schnitt in den Finger). Er dient als Warnsignal, um den Körper vor weitergehenden Schäden zu schützen. Schmerzen „stellen“ die betroffene Region so lange „ruhig“, bis die Heilung erfolgen konnte (Schutzreaktion). Akute Schmerzen sind in der Regel also sinnvoll, da sie zur Lebenserhaltung dienen. Hier ist die Schmerzdauer begrenzt, die Symptome klingen nach Beseitigung der auslösenden Schädigung schnell ab. Der akute Schmerz ist in der Regel gut lokalisierbar und in seinem Ausmaß von der Reizintensität abhängig.
Chronische Schmerzen dauern hingegen länger als die Heilungszeit an, so dass ihre Warn- und Schutzfunktion verloren geht. Hier hat der Schmerz keine sinnvolle Aufgabe mehr. Es kommt zum Dauerschmerz (z. B. Arthrose, Tumorschmerz). Durch einen ständigen Schmerzreiz steigt die Empfindlichkeit der Nerven, Neuronen senden ohne Reiz, Rezeptoren der Zellmembran erhöhen die Empfindlichkeit und die Projektzone im Gehirn nimmt zu. Es entsteht eine eigenständige Erkrankung.
Somatische und viszerale Schmerzen
Neben der Dauer ist auch der Entstehungsort des Schmerzes ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung und Behandlung.
Von somatischen Schmerzen spricht man, wenn die Schmerzempfindungen von Haut, Muskeln, Gelenken, Knochen oder dem Bindegewebe ausgehen.
Der viszerale, also Eingeweideschmerz tritt hingegen u. a. bei der Dehnung der Bauchorgane, Spasmen der glatten Muskulatur, Mangeldurchblutung und entzündlichen Erkrankungen auf.
Neuropathische Schmerzen
Der neuropathische Schmerz ist auf Schädigungen des Nervensystems zurückzuführen, wie z. B. durch Amputation, Querschnittslähmung oder Virusinfektionen.
Schmerz und Entzündung
Eine häufige Schmerzursache sind Entzündungen. Die Entzündung ist eine typische Abwehrreaktion des Immunsystems auf schädigende Einflüsse. Auslöser können exogene, also von außen wirkende Reize durch Krankheitserreger wie Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten sein, aber auch durch chemische Substanzen wie Säuren und Basen, physikalische Faktoren wie Temperatur oder Strahlung, mechanische Einflüsse wie Reibung, Druck oder Fremdkörper und vom Körperinneren wirkende, endogene Reize wie sie z. B. bei dem Zerfall von Zellen bei bösartigen Tumoren auftreten. Ziel der Entzündung ist es hier, die weitere Ausbreitung der Schädigung zu hemmen, sie zu entschärfen, das Gewebe zu reinigen und somit die Voraussetzung für die Heilung zu schaffen.
Die Entzündungsreaktion
Die bei der Entzündungsreaktion ablaufenden spezifischen und unspezifischen Abwehrmechanismen des Immunsystems sind eng miteinander verknüpft. Eine der stärksten entzündlichen Reaktionen wird durch sogenannte Mastzellen vermittelt. Mastzellen gehören zum unspezifischen Immunsystem. Sie enthalten Substanzen wie Histamin, Serotonin, Heparin und verschiedene Enzyme, die als Entzündungsmediatoren (= Entzündungsvermittler) bezeichnet werden.
Bei Kontakt mit einem Krankheitserreger werden die Mastzellen aktiviert und schütten diese Substanzen aus. Durch die Freisetzung dieser Stoffe werden die typischen Symptome einer Entzündung hervorgerufen (Rötung, Schwellung, Wärme, Schmerz und Funktionsstörung). So erweitert Histamin die Blutgefäße, wodurch sich das betroffene Gewebe rötet und erwärmt. Darüber hinaus reizt Histamin die Nerven im Gewebe und löst an dieser Stelle Schmerzen aus. Aufgrund einer erhöhten Durchlässigkeit der Gefäßwand, die ebenfalls durch die Entzündungsmediatoren hervorgerufen wird, tritt eiweißhaltige Flüssigkeit (= Exsudat) in das Gewebe aus. Die betroffene Region schwillt an und es bildet sich ein Ödem. Die verschiedenen in den Mastzellen gespeicherten Enzyme bewirken die Produktion weiterer Entzündungsmediatoren wie Prostaglandine, Leukotriene und Bradykinin (löst starke Schmerzen aus), die ähnlich wirken wie Histamin und die Entzündungsreaktion verstärken. Gleichzeitig wird die Einwanderung von Fresszellen (Phagozyten) des unspezifischen Immunsystems gefördert. Diese greifen die körperfremden Zellen an und transportieren sie ab. Daneben bewirken sie, dass weitere Stoffe wie die so genannten "Akute-Phase-Proteine" freigesetzt werden, die zu Symptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen und Gewichtsverlust führen können.
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